Themenabend Bürgerversicherung

16. Mai 2018

Unser duales System von Gesetzlicher Krankenversicherung und Privater Krankenversicherung ist einzigartig in der Welt. Kein anderes Land lässt zwei völlig unterschiedliche Systeme einer Krankenvollversicherung zu. Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist auch ökonomisch nicht begründbar. Dies waren die Kernaussagen bei einer Veranstaltung des SPD Stadtverbandes Amberg zum Thema Bürgerversicherung.

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Die Stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Birgit Fruth unterstrich in ihrer Begrüßung die große Bedeutung dieses Themas für die Sozialpolitik der SPD in den vergangenen Jahren. „Laut einer Umfrage haben die Menschen einen ausgeprägten Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Und ein Baustein dafür ist ein gerechtes Gesundheitswesen.“ so Fruth. „Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Die Versorgung im Krankheitsfall darf von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger abhängig sein.“

„Auf Dauer entsteht durch das ökonomisch widersinnige Nebeneinander von GKV und PKV und die unterschiedliche Behandlung von Kassen- und Privatpatienten zweifellos viel sozialer Sprengstoff.“ So begründete die Gastreferentin Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich die Forderung der SPD nach einer Bürgerversicherung. Sie ist Mitglied des Gesundheitsausschusses und des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages.

Derzeit sind etwa 70 Millionen Menschen gesetzlich krankenversichert. Nur neun Millionen sind privat versichert. Fast die Hälfte der Privat-Versicherten sind Beamte. Für viele Versicherte existiert de facto keine Wahlfreiheit. Davon betroffen sind insbesondere Beamte, die bei einer Versicherung in der GKV den vollen Versicherungsbeitrag zu zahlen hätten. Vorreiter in dieser Frage ist Hamburg. Dort können Beamtinnen und Beamten zwischen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung wählen. Die Hälfte der Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung wird vom Arbeitgeber getragen.

Als wesentliches Defizit des bestehenden dualen Systems beschrieb Stamm-Fibich unter anderen die unterschiedlichen Vergütungssysteme der Ärzte. Dies führe auch zu Ungerechtigkeiten bei der Vergabe von Behandlungsterminen.

„Die Lösung der SPD zur Überwindung des dualen Versicherungssystems ist die paritätische Bürgerversicherung, eine Versicherung für alle Bürgerinnen und Bürger.“ So die Bundestagsabgeordnete. „Bei der paritätischen Bürgerversicherung geht es nicht – wie Konservative und Liberale regelmäßig wider besseres Wissen behaupten – um eine Einheitskasse für alle. Aber alle sollen sich darauf verlassen können, dass sie die beste medizinische und pflegerische Versorgung bekommen, unabhängig von Einkommen, Alter oder Wohnort.“

Eine Expertenrunde hat folgende vier Elemente für den Weg in die Bürgerversicherung formuliert: Die Rückkehr zur Parität, die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, die Zusammenführung ärztlicher Honorare und die Wahlfreiheit. Zwei Schritte sind bereits abgearbeitet. Ab 1. Januar 2019 werden die Beiträge zur Krankenversicherung wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet. Und im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass sowohl die ambulante Honorarordnung in der Gesetzlichen Krankenversicherung als auch die Gebührenordnung der Privaten Krankenversicherung reformiert werden müssen. Es soll ein modernes Vergütungssystem geschaffen, das den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medizinischen Fortschritts abbildet.

Zum Zeitplan für die Einführung der Bürgerversicherung meinte die Gesundheitsexpertin: „Uns ist aber auch klar, dass eine Umsetzung weit mehr als eine Legislatur dauert und dringend dauerhafte Mehrheiten im Bundestag benötigt werden. Es ist an der Zeit, dass die ideologischen Scheuklappen abgenommen werden und das Projekt Bürgerversicherung auf den Weg gebracht wird.“

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In der anschließenden Diskussion, die vom Landtagslistenkandidaten Dr. med. Armin Rüger geleitet wurde, kamen verschiedene Fragen der Gesundheitspolitik zur Sprache. Ein Diskussionsteilnehmer bemängelte den zögerlichen Niederlassungswillen der Ärzte in strukturschwachen Gebieten. Besonders auffällig sei hier, dass gerade in diesen Gebieten der Anteil der Privatversicherten unterdurchschnittlich sein. „Die größte Dichte an Hausarztpraxen in Bayern gibt es in München in der Maximiliansstraße.“ Dr. Armin Rüger berichtete, dass der Freistaat Bayern bei der Krankenhausfinanzierung sehr eigenwillige Wege geht. So zähle die Ausstattung einer Krankenhausküche zu den nicht betriebsnotwendigen Ausgaben, die nicht zuschussfähig sind. „Geht der Trend zum Fast-Food-Krankhaus?“

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