Erinnern! Nicht vergessen! Karl Reinthaler

18. September 2021

SPD-Stadtverbandsvorsitzender Dieter Weiß besuchte das Karl-Reinthaler-Haus im salzburgerischen Saalfelden. „Wir wollen Karl Reinthaler die Ehre erweisen, die ihm während seiner Haftzeit im Amberg verwehrt wurde.“ Gemeinsam mit den beiden Stadtparteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) Sarah Bergleitner und Thomas Eder, sowie dem 2. Vizebürgermeister von Saalfelden Gerhard Reichkendler legte er Blumen am Karl-Reinthaler-Haus nieder. „Wir würdigen hier einen Menschen, der wegen seiner tätigen Solidarität von den Nationalsozialisten brutal bestraft wurde und nach der Befreiung aus dem Zuchthaus Amberg den Wiederaufbau der Demokratie und der Arbeiterbewegung in Saalfelden vorangetrieben hat. Die Demokratie braucht Vorbilder wie Karl Reinthaler.“ So Dieter Weiß.

saalfelden

Dieter Weiß berichtete der SPÖ Saalfelden über das Geschichtsprojekt „Erinnern! Nicht vergessen!“ Im Rahmen dieses Projektes sei man mehrfach auf das Zuchthaus Amberg gestoßen. „Es wurde sehr schnell deutlich, dass das Zuchthaus Amberg während der Zeit des Nationalsozialismus kein normales Gefängnis gewesen ist.“ Bei weiteren Recherchen fand man Karl Reinthaler und den Bericht über seine Haftzeit in Amberg. Die SPÖ-Stadtspitze bedankte sich für den Besuch und freute sich über das Gedenken an ihren Genossen Reinthaler. Stadtparteivorsitzender Thomas Eder: „Danke für die große Geste und für die bewegenden Geschichten in eurem Kampf gegen das Vergessen!“

„Warum Amberg?“ Diese Frage stellte sich Karl Reinthaler als er im Frühjahr 1942 zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Er sollte diese Strafe in Amberg verbüßen. Verurteilt, weil er die national-sozialistischen Reden aus dem Radio in der Bahnhofgaststätte emotionslos und gar kritisch verfolgte. Verurteilt, weil er in Not geratenen Angehörigen politisch Verfolgter Geld spendete. Für ihn eine Selbstverständlich, die sich aus dem solidarischen Verhalten im Eisenbahner- und Arbeitermilieu begründete. Diese regelmäßigen Spenden begründeten jedoch den Verdacht organisierter Tätigkeit und der Vorbereitung zum Hochverrat.

Nach der Einlieferung in Amberg folgte der tägliche Kampf ums Überlegen: Im Buch „Dagegenhalten“ wird sein Lageralltag eindrucksvoll geschildert: Hunger, die Unmenschlichkeit und Schikanen des Wachpersonals und einige Schicksale seiner Mitgefangenen. Aber auch Momente, die ihm neue Kraft und Hoffnung gaben. So wurde er eines Tages halb verhungert und am Ende seiner Kräfte von einem Gefängniswärter in den Schweinestall gesperrt, damit er sich an den Kartoffeln für die Schweine satt essen konnte. Als er wegen einer Augenverletzung mehrfach zur Behandlung zu einem Amberger Augenarzt gebracht wurde, steckte ihn eine Arzthelferin immer eine Wurstsemmel zu. Diese Frau bleib Karl Reinthaler als sein „Schutzengel von Amberg“ zeitlebens in Erinnerung.

Das vom Französischen Büro des Informationsdienstes über Kriegsverbrechen herausgegebene Konzentrationslager-Dokument F321 für den internationalen Militärgerichtshof Nürnberg weist in seinen Anhang das Lager Amberg als „Lager für Politische“ mit dem Zusatz „Vergeltungslager“ aus. Und das Verzeichnis der Haftstätten während der NS-Zeit führt unter dem Stichwort „Zwangsarbeit“ das Zuchthaus Amberg mit seinen Außenkommandos Scharhof und Wöllershof auf. Das Zuchthaus war ursprünglich für 500 Häftlinge ausgelegt und durch reguläre Justizbeamte bewacht. Später stellte die SA und SS die Wachmannschaften und die gängigen SS-Lagerregeln fanden auch in Amberg Anwendung. Bereits ab 1933 saßen dort die ersten politischen Gefangenen ein. Ab 1938 waren hier auch viele ausländische Widerstandskämpfer inhaftiert. Die Gefangenen arbeiteten u.a. für die Luitpoldhütte, im Straßen- und Gleisbau und im gefängniseigenen Steinbruch in Lengenfeld.

Außerdem gab es im 2. Weltkrieg eine Zweigniederlassung der Firma Zeiss im Zuchthaus Amberg. Etwas 100 Häftlinge arbeiteten in der Produktion von kriegswichtigen optischen Geräten.

“Sollte ich das Zuchthaus überleben, werde ich in weiterer Folge mein Leben der Allgemeinheit widmen.” Während dieser schweren Zeit leiste Karl Reinthaler diesen Schwur und hielt nach seiner Befreiung daran fest. Am 22. April erreichten Amerikanische Truppen Amberg und befreiten auch das Zuchthaus Amberg. In den Tagen zuvor machte unter den Häftlingen das Gerücht die Runde, dass sie alle getötet werden sollten.

Bei der Befreiung waren dort über 2.000 Häftlinge untergebracht. Dies hatte natürlich erhebliche negative Auswirkungen auf die Hygiene, die Unterbringung, sowie die Kranken- und Lebensmittelversorgung. Bürgermeister Regler schreibt in seinen Ausführungen nach dem Kriegsende in Amberg: „Sehr groß wurde die Anforderung von Lebensmitteln und Arzneimitteln für das Zuchthaus, in dem sich mehrere Hundert KZ-Häftlinge im halbverhungerten Zustand befanden.“ Nach seiner Rückkehr aus Amberg wurde Reinthaler in den Saalfelder Gemeindevorstand und in den Salzburger Landtag gewählt. Aus gesundheitlichen Gründen schied er jedoch 1948 aus dem Landtag aus. Er blieb aber 16 Jahre SPÖ Fraktionsobmann im Gemeinderat und 8 Jahre Vizebürgermeister. 1972 wurde er zum Bürgermeister von Saalfelden gewählt. Dieses Amt musste er jedoch nach fünf Jahren wegen einer schweren Erkrankung niederlegen.

Viele Jahre war Karl Reinthaler als Zeitzeuge aktiv und berichtet über seine Zeit im Zuchthaus Amberg. Er war Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft, Bildungsreferent, hielt Vorträge und Seminare. Er engagierte sich besonders stark für die Gründung eines Gewerkschaftsheimes. Trotz zahlreicher gesundheitlicher Beeinträchtigung, die auch auf seine Haftzeit zurückzuführen sind, blieb Reinthaler seinen Schwur treu.

Am 1. August 2000 starb er bei einem tragischen Unfall. Die SPÖ Saalfelden erwarb 2002 das Gewerkschaftsheim, an dessen Gründung Karl Reinthaler mitgewirkt hat und benannte es nach ihm.

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